Barfuß gehen

    Wenn ich mal meinen Geist auslüften muss, gehe ich eine kleine oder größere Runde durch die Siedlung, bis ich zum Waldeingang komme. Vorbei an wunderschönen alten Villen und Kastanienalleen geht es die Braungasse hinauf und weiter in die Andergasse.

    Am liebsten gehe ich Abends, wenn schon langsam die Dämmerung einsetzt. Ich beobachte Katzen, die sich selbstbewusst am Gehsteig vor ihren Häusern räkeln und Marder, die sich unter Autos verstecken. Ich höre Menschen in ihren Gärten lachen und atme den Duft von gegrilltem Fleisch ein, der sich mit Blütendüften und trockenem Asphaltgeruch mischt.

    Der Himmel bietet ein berauschendes Farberlebnis in allen erdenklichen Rosa- und Orangetönen, während es in der Ebene schon dunkel wird.

      Widerstand erzeugt Schmerz

      Im Sommer, wenn die Straßen und Gehsteige noch von der Tageshitze dampfen, habe ich oft Lust meine Flip Flops auszuziehen und barfuß weiterzugehen. Ein herrliches Gefühl, die warmen Pflastersteine unter meinen Fußsohlen zu spüren! Die Unebenheiten und Beschaffenheit der verschiedenen Untergründe. Der tiefschwarze, raue Belag einer erst kürzlich neu asphaltierten Straße. Das angenehm kühle Gras im Beserlpark in der Franz-Glaser-Gasse. Die kleinen schmerzhaften Steinchen eines Schotterweges. 

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      Meine Schritte werden langsamer und bewusster. Ich versuche, dem Schmerz den die Kieselsteine verursachen keinen Widerstand zu bieten, einfach weiter zu atmen und mich einzulassen.

      Es erinnert mich an ein Erlebnis vor vielen Jahren – ich war mit meiner Schwester in Thailand und wir haben uns eine Fußreflexzonenmassage gegönnt. Während sie es als so angenehm empfand, dass sie dabei sogar eingeschlafen ist, habe ich es vor Schmerzen kaum ausgehalten.

      Erst der Widerstand verursacht Schmerz. Kleine Kinder laufen mühelos barfuß über Steine und Kiesstrände, während ich mir letzten Herbst auf Kreta am vorletzten Tag doch noch Badeschuhe gekauft habe. Zu unangenehm war der Schmerz auf meinen Fußsohlen, trotz aller Versuche mich hinzugeben. Beim Spazierengehen geht diese Übung einfacher.

      Im Wald angekommen, gehe ich noch eine Weile barfuß weiter. Spüre die Wurzeln, feuchtes Laub, lehmigen Boden um kleine Tümpel vom letzten Regen. Irgendwann, wenn ich mich buchstäblich genug “geerdet” habe und es zu anstrengend wird, schlüpfe ich wieder in meine Schlapfen und bin froh darüber, dass ich sie habe.

      Sich mit der Erde verbinden

      Beim Barfuß gehen verbinden wir uns mit der Erde. Wir sind gezwungen, langsamer und achtsamer zu gehen – allein das hilft schon, ganz in den Augenblick zu kommen. Die Aufmerksamkeit wird automatisch auf die Füße gerichtet und darauf, was wir über sie spüren.

      Barfuß gehen strengt nach einer Weile wirklich an, es werden alle möglichen Muskeln beansprucht die wir sonst gar nicht mehr nützen – in diesem Sinne ist es ein Ganzkörpertraining und eine wunderbare Erfahrung, die sehr einfach jederzeit gemacht werden kann. 

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      Noch ist es warm genug draußen, um es einmal auszuprobieren!